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Bei einem Besuch 1961 der neuen Hauptstadt Brasília sah der Philosoph Max Bense (Lehrer 1953 bis 1958 an der Ulmer Hochschule für Gestaltung) in den modernen Bauten von Lúcio Costa und Oscar Niemeyer 1961 das Bollwerk einer westlichen, zumal einer rationalistischen Aufklärung manifestiert. Er schwärmte von der Idee dieser Stadt, die er analog zu einem Gesamtkunstwerk wie einen mächtigen Speicher technischer und künstlerischer Intelligenz sah, die nicht zufällig, sondern als eine notwendige Darstellung synthetischer Kräfte in einem prospektiven Raum der Zivilisation aufschien. Damit war die Setzung für ein modernes Brasilien aus europäischer Sichtweise gemacht, zumal 16 Jahre nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges. Sie musste jedoch so sehr Wunschbild bleiben, wie es auch das Selbstbild eines sozial gerechten und multiethnischen Brasiliens geblieben ist. Ein Anlauf zu dieser Utopie einer Brasilianischen Moderne wird in der Semana de Arte Moderna 1922 (Woche der modernen Kunst) gesehen, in der sich eine erste Generation Künstler*innen manifestierte, die mit den Namen Anita Malfatti (1889-1964) oder Vicente do Rego Monteiro (1899-1970) verbunden ist. Das genuin Brasilianische dieser Moderne, wie es der Schriftsteller Oswald de Andrade forderte, sollte die Rolle der »nationalen Identität« werden. In einem Manifest rief er dazu auf, sich die fremde europäische Kultur einzuverleiben, diese zu »verdauen« und durch deren Transformation eine eigene brasilianische Kunst zu schaffen. Dazu gehörte für ihn auch das »Verschlingen« der indigenen und afro-brasilianischen Kulturen. Den beiden Erstgenannten und weiteren Protagonist*innen, etwa Lasar Segall (1891-1957) oder Tarsila do Amaral (1886-1973), wird heute eine gewisse soziale Distanz zur indigenen Bildsprache bzw. zu afro-brasilianischen Ritualen attestiert, die erst durch eine weitere, zweite Generation um Djanira da Motta e Silva (1914-1979) oder Rubem Valentim (1922-1991) aufgehoben worden ist. Jetzt sorgen all diese Künstler* innen und ihre Werke in einer Ausstellung wie »Foreigners Everywhere« auf der 60. Biennale in Venedig (kuratiert von Adriano Pedrosa) für erhebliches Aufsehen, weil hier eine ganz eigene Bildsprache zum Tragen kommt, nachdem die formalistische Eroberung durch die europäische Moderne quasi »verdaut« worden war. Und so wie international seit einiger Zeit ein starkes Interesse unter dem Stichwort Globale Moderne sichtbar wird, sind wissenschaftliche Parallelen zu den Fragestellungen der europäischen Moderne nicht weniger adressiert wie die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Unterschiede. »Brasil! Brasil! - Aufbruch in die Moderne« zeigt in der Ausstellung und mit dieser umfangreichen Publikation nun die verschiedenen Wege, wie brasilianische Künstler*innen ihre eigene moderne Bildsprache entwickelt haben und lässt durch die Präsentation von zehn Positionen gleichzeitig eine Einführung in prägende politische, soziale wie wirtschaftliche Umstände zu; zugleich werden die wichtigsten Stationen in Literatur, Musik, Design und Architektur thematisch angeschnitten. Ein erster Anknüpfungspunkt für einen fruchtbaren interkulturellen Austausch bot sich dem Zentrum Paul Klee 2019 durch die von Fabienne Eggelhöfer kuratierte Ausstellung »Paul Klee - Unstable Balance«, die auf ihrer¿Tour von Saõ Paulo und Rio de Janeiro nach Belo Horizonte vom brasilianischen Publikum mit großem Interesse aufgenommen worden ist.
Ausstellungen:
Zentrum Paul Klee Bern, 7/9/2024 - 5/1/2025
Royal Academy of Arts London, 28/1 - 21/4/2025
Die Ausstellung ist organisiert vom Zentrum Paul Klee, Bern, in Zusammenarbeit mit der Royal Academy of Arts, London
Bei einem Besuch 1961 der neuen Hauptstadt Brasília sah der Philosoph Max Bense (Lehrer 1953 bis 1958 an der Ulmer Hochschule für Gestaltung) in den modernen Bauten von Lúcio Costa und Oscar Niemeyer 1961 das Bollwerk einer westlichen, zumal einer rationalistischen Aufklärung manifestiert. Er schwärmte von der Idee dieser Stadt, die er analog zu einem Gesamtkunstwerk wie einen mächtigen Speicher technischer und künstlerischer Intelligenz sah, die nicht zufällig, sondern als eine notwendige Darstellung synthetischer Kräfte in einem prospektiven Raum der Zivilisation aufschien. Damit war die Setzung für ein modernes Brasilien aus europäischer Sichtweise gemacht, zumal 16 Jahre nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges. Sie musste jedoch so sehr Wunschbild bleiben, wie es auch das Selbstbild eines sozial gerechten und multiethnischen Brasiliens geblieben ist. Ein Anlauf zu dieser Utopie einer Brasilianischen Moderne wird in der Semana de Arte Moderna 1922 (Woche der modernen Kunst) gesehen, in der sich eine erste Generation Künstler*innen manifestierte, die mit den Namen Anita Malfatti (1889-1964) oder Vicente do Rego Monteiro (1899-1970) verbunden ist. Das genuin Brasilianische dieser Moderne, wie es der Schriftsteller Oswald de Andrade forderte, sollte die Rolle der »nationalen Identität« werden. In einem Manifest rief er dazu auf, sich die fremde europäische Kultur einzuverleiben, diese zu »verdauen« und durch deren Transformation eine eigene brasilianische Kunst zu schaffen. Dazu gehörte für ihn auch das »Verschlingen« der indigenen und afro-brasilianischen Kulturen. Den beiden Erstgenannten und weiteren Protagonist*innen, etwa Lasar Segall (1891-1957) oder Tarsila do Amaral (1886-1973), wird heute eine gewisse soziale Distanz zur indigenen Bildsprache bzw. zu afro-brasilianischen Ritualen attestiert, die erst durch eine weitere, zweite Generation um Djanira da Motta e Silva (1914-1979) oder Rubem Valentim (1922-1991) aufgehoben worden ist. Jetzt sorgen all diese Künstler* innen und ihre Werke in einer Ausstellung wie »Foreigners Everywhere« auf der 60. Biennale in Venedig (kuratiert von Adriano Pedrosa) für erhebliches Aufsehen, weil hier eine ganz eigene Bildsprache zum Tragen kommt, nachdem die formalistische Eroberung durch die europäische Moderne quasi »verdaut« worden war. Und so wie international seit einiger Zeit ein starkes Interesse unter dem Stichwort Globale Moderne sichtbar wird, sind wissenschaftliche Parallelen zu den Fragestellungen der europäischen Moderne nicht weniger adressiert wie die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Unterschiede. »Brasil! Brasil! - Aufbruch in die Moderne« zeigt in der Ausstellung und mit dieser umfangreichen Publikation nun die verschiedenen Wege, wie brasilianische Künstler*innen ihre eigene moderne Bildsprache entwickelt haben und lässt durch die Präsentation von zehn Positionen gleichzeitig eine Einführung in prägende politische, soziale wie wirtschaftliche Umstände zu; zugleich werden die wichtigsten Stationen in Literatur, Musik, Design und Architektur thematisch angeschnitten. Ein erster Anknüpfungspunkt für einen fruchtbaren interkulturellen Austausch bot sich dem Zentrum Paul Klee 2019 durch die von Fabienne Eggelhöfer kuratierte Ausstellung »Paul Klee - Unstable Balance«, die auf ihrer¿Tour von Saõ Paulo und Rio de Janeiro nach Belo Horizonte vom brasilianischen Publikum mit großem Interesse aufgenommen worden ist.
Ausstellungen:
Zentrum Paul Klee Bern, 7/9/2024 - 5/1/2025
Royal Academy of Arts London, 28/1 - 21/4/2025
Die Ausstellung ist organisiert vom Zentrum Paul Klee, Bern, in Zusammenarbeit mit der Royal Academy of Arts, London
Erscheinungsjahr: | 2024 |
---|---|
Genre: | Geisteswissenschaften, Kunst, Musik |
Rubrik: | Kunst & Musik |
Thema: | Kunstgeschichte |
Medium: | Taschenbuch |
ISBN-13: | 9783864424397 |
ISBN-10: | 3864424399 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Klappenbroschur |
Redaktion: |
Eggelhöfer, Fabienne
Zimmer, Nina |
Hersteller: |
Snoeck Verlagsges.
Snoeck Verlagsgesellschaft mbH |
Abbildungen: | 200 farbige Tafeln |
Maße: | 279 x 210 x 25 mm |
Von/Mit: | Fabienne Eggelhöfer (u. a.) |
Erscheinungsdatum: | 01.09.2024 |
Gewicht: | 1,352 kg |
Erscheinungsjahr: | 2024 |
---|---|
Genre: | Geisteswissenschaften, Kunst, Musik |
Rubrik: | Kunst & Musik |
Thema: | Kunstgeschichte |
Medium: | Taschenbuch |
ISBN-13: | 9783864424397 |
ISBN-10: | 3864424399 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Klappenbroschur |
Redaktion: |
Eggelhöfer, Fabienne
Zimmer, Nina |
Hersteller: |
Snoeck Verlagsges.
Snoeck Verlagsgesellschaft mbH |
Abbildungen: | 200 farbige Tafeln |
Maße: | 279 x 210 x 25 mm |
Von/Mit: | Fabienne Eggelhöfer (u. a.) |
Erscheinungsdatum: | 01.09.2024 |
Gewicht: | 1,352 kg |