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Beschreibung
Was soll Europa denken, rief Max Bernstein im Oktober 1907 im Berliner Justizpalast aus. Wenn der Eulenburg-Skandal, auf den sich dieser Ausruf bezog, von der Geschichtswissenschaft bisher gewürdigt wurde, dann als ein nationales oder gar nur lokales Berliner Ereignis. Bernstein aber, einer der berühmtesten Strafverteidiger des Kaiserreichs und als Mitbesitzer der Münchner Neuesten Nachrichten mit den Mechanismen der modernen Massenpresse wohlvertraut, wusste genau, dass er durch den Gerichtssaal in Alt-Moabit eine internationale Öffentlichkeit ansprach. Mit ihm beschworen auch die übrigen Akteure und Beobachter des Skandals Deutschland, Europa, die Welt, ja selbst die Nachgeborenen. Leichtfüßig überschritt der "deutsche Skandal", als der er bald in der internationalen Presse firmierte, die Grenzen des Deutschen Reiches. Rund drei Jahre, von Ende 1906 bis in das Jahr 1909, beschäftigte er Journalisten aus aller Welt. Dutzende Auslandskorrespondenten zog er in den Justizpalast von Berlin-Moabit, wo die meisten Sensationsprozesse stattfanden, auf denen er als historisches Ereignis [...] diesem Hintergrund liegt es nahe, den Eulenburg-Skandal als ein transnationales Medienereignis in den Blick zu nehmen. Auch wenn dies ein noch relativ junges historiographisches Konzept ist, so war doch bereits den Zeitgenossen selbstverständlich, dass dieser Skandal "vor aller Welt" stattfand und, vielleicht noch wichtiger, dass über die Deutung seiner Enthüllungen mit aller Welt gerungen werden musste. Damit wird der Eulenburg-Skandal nicht aus der jüngeren deutschen Geschichte komplimentiert. Im Gegenteil. Viele der durch ihn verhandelten Personen, Themen und Konfliktlinien wurden von den Zeitgenossen gerade deshalb nationalistisch aufgeladen, weil sie sich in einer national entgrenzten Öffentlichkeit wussten. Auf diese Weise soll die vorliegende Studie eine Sonde in die Jahre des Übergangs von der Belle Époque ins "Eiserne Zeitalter" sein. Eine Ära, die gekennzeichnet ist durch das Aufkommen global gedachter, medial vermittelter Prestigepolitik. Selbst über ein nach den Maßstäben traditioneller Politik- und Diplomatiegeschichte gründlich erforschtes, geradezu klassisches Ereignis der Außenpolitik wie die Erste Marokko-Krise 1905/06 können mit diesem Zugriff neue Erkenntnisse zu Tage gefördert werden. Es ist kein Zufall, dass mit dem alten Handwerkszeug nicht erkannt wurde, dass dieser Schlüsselkonflikt in den internationalen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg den Hintergrund des Eulenburg-Skandals bildete. Dabei war es die skandalöse Deutung der friedlichen Lösung von Algeciras, die Maximilian Harden, den umstrittensten Publizisten und Intellektuellen des Kaiserreichs, eine sensationelle Pressekampagne gegen Fürst Philipp Eulenburg, den besten Freund und zeitweise wichtigsten Berater Kaiser Wilhelms II., beginnen ließ. In seiner europaweit beachteten Politik- und Kulturzeitschrift Die Zukunft unterstellte Harden im Herbst 1906 dem Fürsten Eulenburg, das Haupt einer Kamarilla zu sein, einer namentlich nie genau definierten Einflussgruppe im Arkanbereich der Reichsleitung, die durch Homosexualität zusammengehalten werde. Ihr wies Harden die Verantwortung für die schwere diplomatische Niederlage des Deutschen Reiches in der Marokko-Krise zu. Wie sich bald herausstellte, war dieser Vorwurf nur die Facette eines großen Narrativs wilhelminischer Dekadenz, das der Skandal popularisierte: Danach hatte die Eulenburg-Kamarilla bereits 1890 den Sturz Bismarcks bewerkstelligt, seither den Monarchen vom Volk abgeschirmt und durch eine von übersteigerter Friedensliebe bestimmte Politik das Deutsche Reich in die internationale Isolation manövriert. Mit der nach Eulenburgs Schloss in der Uckermark "Liebenberger Tafelrunde" genannten Gruppe war ein Sündenbock für die zahlreichen politischen Fehlleistungen der Herrschaft Wilhelms II. gefunden [...] der Eulenburg-Skandal heute vor allem als erster großer Homosexualitätsskandal des 20. Jahrhund
Was soll Europa denken, rief Max Bernstein im Oktober 1907 im Berliner Justizpalast aus. Wenn der Eulenburg-Skandal, auf den sich dieser Ausruf bezog, von der Geschichtswissenschaft bisher gewürdigt wurde, dann als ein nationales oder gar nur lokales Berliner Ereignis. Bernstein aber, einer der berühmtesten Strafverteidiger des Kaiserreichs und als Mitbesitzer der Münchner Neuesten Nachrichten mit den Mechanismen der modernen Massenpresse wohlvertraut, wusste genau, dass er durch den Gerichtssaal in Alt-Moabit eine internationale Öffentlichkeit ansprach. Mit ihm beschworen auch die übrigen Akteure und Beobachter des Skandals Deutschland, Europa, die Welt, ja selbst die Nachgeborenen. Leichtfüßig überschritt der "deutsche Skandal", als der er bald in der internationalen Presse firmierte, die Grenzen des Deutschen Reiches. Rund drei Jahre, von Ende 1906 bis in das Jahr 1909, beschäftigte er Journalisten aus aller Welt. Dutzende Auslandskorrespondenten zog er in den Justizpalast von Berlin-Moabit, wo die meisten Sensationsprozesse stattfanden, auf denen er als historisches Ereignis [...] diesem Hintergrund liegt es nahe, den Eulenburg-Skandal als ein transnationales Medienereignis in den Blick zu nehmen. Auch wenn dies ein noch relativ junges historiographisches Konzept ist, so war doch bereits den Zeitgenossen selbstverständlich, dass dieser Skandal "vor aller Welt" stattfand und, vielleicht noch wichtiger, dass über die Deutung seiner Enthüllungen mit aller Welt gerungen werden musste. Damit wird der Eulenburg-Skandal nicht aus der jüngeren deutschen Geschichte komplimentiert. Im Gegenteil. Viele der durch ihn verhandelten Personen, Themen und Konfliktlinien wurden von den Zeitgenossen gerade deshalb nationalistisch aufgeladen, weil sie sich in einer national entgrenzten Öffentlichkeit wussten. Auf diese Weise soll die vorliegende Studie eine Sonde in die Jahre des Übergangs von der Belle Époque ins "Eiserne Zeitalter" sein. Eine Ära, die gekennzeichnet ist durch das Aufkommen global gedachter, medial vermittelter Prestigepolitik. Selbst über ein nach den Maßstäben traditioneller Politik- und Diplomatiegeschichte gründlich erforschtes, geradezu klassisches Ereignis der Außenpolitik wie die Erste Marokko-Krise 1905/06 können mit diesem Zugriff neue Erkenntnisse zu Tage gefördert werden. Es ist kein Zufall, dass mit dem alten Handwerkszeug nicht erkannt wurde, dass dieser Schlüsselkonflikt in den internationalen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg den Hintergrund des Eulenburg-Skandals bildete. Dabei war es die skandalöse Deutung der friedlichen Lösung von Algeciras, die Maximilian Harden, den umstrittensten Publizisten und Intellektuellen des Kaiserreichs, eine sensationelle Pressekampagne gegen Fürst Philipp Eulenburg, den besten Freund und zeitweise wichtigsten Berater Kaiser Wilhelms II., beginnen ließ. In seiner europaweit beachteten Politik- und Kulturzeitschrift Die Zukunft unterstellte Harden im Herbst 1906 dem Fürsten Eulenburg, das Haupt einer Kamarilla zu sein, einer namentlich nie genau definierten Einflussgruppe im Arkanbereich der Reichsleitung, die durch Homosexualität zusammengehalten werde. Ihr wies Harden die Verantwortung für die schwere diplomatische Niederlage des Deutschen Reiches in der Marokko-Krise zu. Wie sich bald herausstellte, war dieser Vorwurf nur die Facette eines großen Narrativs wilhelminischer Dekadenz, das der Skandal popularisierte: Danach hatte die Eulenburg-Kamarilla bereits 1890 den Sturz Bismarcks bewerkstelligt, seither den Monarchen vom Volk abgeschirmt und durch eine von übersteigerter Friedensliebe bestimmte Politik das Deutsche Reich in die internationale Isolation manövriert. Mit der nach Eulenburgs Schloss in der Uckermark "Liebenberger Tafelrunde" genannten Gruppe war ein Sündenbock für die zahlreichen politischen Fehlleistungen der Herrschaft Wilhelms II. gefunden [...] der Eulenburg-Skandal heute vor allem als erster großer Homosexualitätsskandal des 20. Jahrhund
Details
Erscheinungsjahr: | 2010 |
---|---|
Genre: | Geisteswissenschaften, Geschichte, Kunst, Musik |
Jahrhundert: | 20. Jahrhundert |
Rubrik: | Geisteswissenschaften |
Medium: | Taschenbuch |
Inhalt: | 433 S. |
ISBN-13: | 9783593392752 |
ISBN-10: | 3593392755 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Kartoniert / Broschiert |
Autor: | Domeier, Norman |
Auflage: | 1/2010 |
campus verlag: | Campus Verlag |
Maße: | 215 x 142 x 28 mm |
Von/Mit: | Norman Domeier |
Erscheinungsdatum: | 15.09.2010 |
Gewicht: | 0,536 kg |
Details
Erscheinungsjahr: | 2010 |
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Genre: | Geisteswissenschaften, Geschichte, Kunst, Musik |
Jahrhundert: | 20. Jahrhundert |
Rubrik: | Geisteswissenschaften |
Medium: | Taschenbuch |
Inhalt: | 433 S. |
ISBN-13: | 9783593392752 |
ISBN-10: | 3593392755 |
Sprache: | Deutsch |
Einband: | Kartoniert / Broschiert |
Autor: | Domeier, Norman |
Auflage: | 1/2010 |
campus verlag: | Campus Verlag |
Maße: | 215 x 142 x 28 mm |
Von/Mit: | Norman Domeier |
Erscheinungsdatum: | 15.09.2010 |
Gewicht: | 0,536 kg |
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